Saving Fashion

Wie Luxus-Sneakers zum neuen Gold der Modeindustrie wurden.

Donnerstag, 30. August 2018

Steife CEOs, die den Maßanzug zuhause lassen und mit engen Jeans und weißen Retro-Trainern auf der Bühne stehen. Hipster in unfassbar hässlichen, klobigen Sneakers, die sich in den 90ern nicht mal die Rave-Community getraut hätte. Und Büroangestellte zwischen 40 und 50, die besser als Großstadt-Teenager über neue Modelle und Kollaborationen von Designern und Marken informiert sind: Sneaker sind so angesagt wie nie zuvor. Treiber auch hier: die Modern Affluents, jene Mitglieder der Generationen X und Y mit progressivem Mindset, deren Ansprüche und Erwartungen an PremiumMarken sich von denen des „traditionellen“ Luxus deutlich unterscheiden.

Vom Employer Branding Tool (Die Lufthansa veröffentlichte Anfang 2018 zusammen mit Adidas ein eigenes Sneaker-Modell im LH-Colorcode) über die sowohl in Sammlerkreisen als auch bei Marketing-Fachleuten sehr gefeierten Zusammenarbeit von Adidas und den Berliner Verkehrsbetrieben in 2017 (4 Cannes Lions und fast 15 Mio. US Dollar earned Media) bis zum BMW X2 Sneaker in Zusammenarbeit mit dem Label VOR mit Akzenten in der Launch-Farbe des X2 reichen die aktuellen Aktivitäten der Marken – Tendenz steigend.

Für Luxuslabels allerdings sind Sneakers mittlerweile weit mehr als ein Marketing-Tool – sondern nicht mehr und nicht weniger als Wachstumstreiber und die Hoffnung schlechthin für große Teile der Industrie, die allesamt jüngere Zielgruppen im Blick haben.

“Sneakers sind längst kein Trend mehr – sie sind zu einer eigenen Kategorie geworden” sagt Bruce Pas, Men’s Fashion Director des US-amerikanischen Luxuskaufhaus Neiman Marcus.

Handtaschen und Accessoires, die jahrelang die Umsätze von Luxusherstellern sicherten, kommen da nicht mehr hinterher. Das globale Sales-Volumen von Luxus-Sneakers stieg im vergangenen Jahr um 10% auf 3,5 Milliarden Euro, mit nur 7% Wachstum haben Handtaschen laut eines Research von Bain & Co. das Nachsehen.

Weit vorne dabei: das Label Balenciaga, deren „Triple S“ Modell trotz seines klobigen Äußeren und dem Preis von knapp 800 Euro für ein sattes Umsatzplus der Traditionsmarke sorgte.

Angetrieben durch den anhaltenden Wachstumstrend investieren fast alle Luxuslabels von Lanvin über Kiton und Saint Laurent bis Ermenegildo Zegna massiv in Verpflichtungen von Footwear-Designern. Ganze 40 von 48 präsentierten Schuhmodellen bei Zegnas letzter Laufsteg-Show waren Sneakers. Selbst etablierte Unternehmensberatungen und Analysten von HSBC bis Bain & Co. widmen sich dem Thema seit einiger Zeit mit ungeahnter Leidenschaft.

Letzter Geniestreich: Louis Vuitton verpflichtete im Juni mit „Off White“-Gründer Virgil Abloh einen neuen Creative Director für Menswear. Und damit einen Garanten für weiteren Umsatzzuwachs der Marke und steigende Beliebtheit bei jungen Zielgruppen weltweit: Seine dekonstruktivistischen, strengstens limitierten Entwürfe von NikeKlassikern wie Air Max, Air Jordan 1 und Blazer erzielen Höchstpreise auf Plattformen wie StockX, Donnerstag, 30. August 2018 Saving Fashion – Wie Luxus-Sneakers zum neuen Gold der Modeindustrie wurden. wo sogenannte Reseller ihre ergatterten Schätze direkt an leer ausgegangene Sammler verkaufen. Kosten pro Paar: ab 1.000 Euro aufwärts.

Innerhalb von nur zwei Jahren nach der Gründung machte die Plattform StockX in 2017 einen Jahresumsatz von 700 Millionen Dollar – und sieht sich damit immer noch als Nischenanbieter im weltweiten Sneaker-Geschäft, dessen Gesamtvolumen sich 2017 auf geschätzt 92 Milliarden Dollar beläuft.

In einem TED Talk über die Sneaker-Industrie aus dem Jahre 2015 nahm der StockX Gründer Josh Luber einiges vorweg, was sich heute mit dem Blick auf Marktdaten und Umsatzkurven bewahrheitet.

Was wird Luxusmarken in diesem Bereich langfristig differenzieren? Läuft sich der Hype der großen alten Namen der Luxusindustrie, die sich unter dem Druck der Verjüngung konsequent näher an Streetwear wagen, irgendwann tot? Fakt ist: auch Midprice-Marken zielen auf das Preispremium und neu entstehende Luxusmarken wie Common Projects oder Hender Scheme können ohne den Ballast der eigenen Tradition punkten.

Es bleibt spannend – und die Sneaker-Fans der Generationen X und Y können sich vorerst auf viele aufregende Kollaborationen und Modelle ihrer favorisierten Luxusmarken freuen.

Inwieweit die edlen Sneakers dabei auch als längerfristige Geldanlage bestehen können und womöglich die „Vintage-Rolex von morgen“ werden oder ob verdunstende Weichmacher und bröselndes Plastik dieser schönen Vorstellung ein jähes Ende bereiten, wollen wir an dieser Stelle nur mutmaßen.